Die Fla-Rakete 5W28


Die FAR 5W28 (W-880 Ä) war eine Zweistufen - Rakete mit seitlich angebrachten Starttriebwerken. Der Preis pro Rakete lag bei ca. 1.000.000 Rubel (4.670.000,- Mark der DDR). Innerhalb des RGW und somit auch innerhalb der Warschauer Vertragsstaaten galt als einheitliches Zahlungsmittel der "Transverrable Rubel", der auch den Preisen für Militärtechnik zugrunde gelegt war. Der Umrechnungskurs betrug 1:4,67. Vielen Dank an Herrn Sedlak für die Informationen zum Umrechnungskurs. Sie hatte eine Länge von 10,4 Meter und ein Startgewicht von 7.018 Kilogramm. Der Durchmesser betrug 0,85 Meter; die Breite mit Flügeln 2,85 Meter.

 

 

Foto Badingen 1992


Ihr Start erfolgte ausschließlich mit vier Feststoff - Startbeschleunigern 5S25 („Booster") mit einer Verzögerung von zwei Sekunden nach Zündung der Pyropatronen. Der Startschub jedes Boosters betrug 40.000 Kilopond. Die Startbeschleuniger waren mit Stabilisatoren ausgestattet, von denen der des unteren Triebwerkes in der Ausgangslage zusammengeklappt war und erst nach Abgang der FAR von der Rampe die Gefechtslage einnahm.
Die Rakete erreichte sofort nach dem Start eine Geschwindigkeit von ca. 1.000 km/h (Start- und Stabilisierungsphase). Nach einer Brenndauer von etwa 3 bis 6 Sekunden erfolgte der paarweise Abwurf der Startbeschleuniger. Bereits in der zweiten Sekunde des Fluges hatte das Marschtriebwerk gestartet und unmittelbar eine Beschleunigung von 20 g erreicht. Nach der Trennung von den Startbeschleunigern ging die FAR in die Marschphase über. Die Gesamtbrenndauer des Marschtriebwerkes lag zwischen etwa 50 und 150 Sekunden. Die Triebwerksanlage der zweiten Stufe - ein Zweikomponenten - Flüssigkeitstriebwerk mit Turbopumpensystem, dem Brennstoff Samin (Gemisch aus Di - und Triethylamin) und dem Oxydator „Melange" (Gemisch aus 98%-ige Salpetersäure und 5% Phosphorsäure) - erzeugte einen Schub von ca. 10.000 Kilopond. In Abhängigkeit von Zielentfernung und -höhe konnte das Triebwerk mit unterschiedlichen Programmen arbeiten, die die energetisch günstigste Flugbahn gewährleisteten.
Mit Beginn der Marschphase wurde der Autopilot an den Bordrechner angeschlossen und erarbeitete die Lenkkommandos. Die Bordlenkapparatur gewährleistete eine stabile Raketenflugbahn in Richtung zum zu bekämpfenden Ziel nach dem bereits dargestellten halbaktiven Lenkverfahren, während der Autopilot die Stabilisierung der Rakete bezüglich ihres Massezentrums und die Lenkung entsprechend den Lenkkommandos verwirklichte. Nach dem Start war die FAR übrigens völlig autonom und die Übermittlung von Lenkkommandos über die Aufhellstation nicht mehr möglich. Hatte der Lenkkopf das Ziel nicht bereits auf der Startrampe „gesehen", begannen mit dem Modus „Erfassen im Flug" die Zielsuche und Zielaufschaltung unmittelbar nach dem Start in der Luft.

 

Foto vko.ru

 

Insgesamt ermöglichte der S-200 WÄ die Vernichtung von Flugzielen zwischen der „nahen und fernen Grenze der Vernichtungszone", d.h. zwischen weniger als 20 Kilometern und bis in ca. 250 Kilometer mit einer Trefferwahrscheinlichkeit von über 80 % (eine Rakete) bzw. 95 % (zwei Raketen). Die „nahe Grenze der Vernichtungszone" wurde dabei zum einen durch die Zeit bestimmt, die erforderlich war, um die FAR auf die kinematische Flugbahn zu bringen und sie bei der dann erreichten Geschwindigkeit steuern zu können. Zum anderen bedingte die Notwendigkeit des Auffassens und Begleitens des Zieles durch den Lenkkopf der Rakete bereits vor dem Start diese relativ große „Totzone". Die Bekämpfung von Zielen war auch über eine Entfernung von 250 Kilometern hinaus grundsätzlich möglich.

a. Zielsuchlenkkopf Befestigung des Gefechtsteiles an der FAR und Autopilot auf der rechten Seite

 

Foto s200.de

 

Der Raketen-Lenkkopf hatte vor dem Start (auf der Startrampe) und auf die entsprechenden Signale der Aufhellstation hin das ausgewählte Ziel nach den Winkelkoordinaten, der Geschwindigkeit und Entfernung zu erfassen (Ausnahme: Bekämpfen von verdeckten Zielen). Weitere Funktionen waren die automatische und ununterbrochene Begleitung des Zieles sowohl vor dem Start als auch während des Fluges der FAR und schließlich das Erstellen der für die Arbeit des Bordrechners, des Autopiloten, des Funkzünders und des Kontrollantwortsenders erforderlichen Signale.
 
Der Lenkkopf bestand konstruktiv aus drei Hauptblöcken: der kreiselstabilisierten Antenne mit einem Antennensystem und dem Kreiselstabilisator, dem Empfangsumformerblock und dem auswechselbaren HF-Kopf. Die Antenne überdeckte die HF-durchlässige Raketenhaube. Sie war handgefertigt und mußte sehr vorsichtig behandelt werden. Grund hierfür war, daß der Brechwinkel der Strahlen des Lenkkopfes im Bordrechner voreingestellt war. Bei Kratzern oder anderen Beschädigungen der Raketenhaube konnte dies zu falschen Werten und damit zur Zielverfehlung führen. Nach Erreichen der Zielnähe ging die Rakete in die Endanflugphase auf das Ziel über. Bei ordnungsgemäßem Flug verlauf - und abhängig von der Lenkmethode - erfolgte in der Nähe des Zieles die Zündung des Gefechtskopfes durch den Funkzünder. Hatte der Lenkkopf den Kontakt zum Ziel verloren, so suchte er dieses nur noch für einige Sekunden. Ausschließlich in dieser Zeitspanne antwortete der Raketenantwortsender der Aufhellstation der Rakete über eine eingebaute Antenne, um die vor dem Start gespeicherten Daten abzufragen. Die FAR flog weiter, bis mit den letzten Treibstoffresten der Block zur automatischen Selbstzerstörung aktiviert wurde. Der Raketensender hatte somit reine Kontrollfunktion.

 

Fotos s200.de

 
b. Gefechtsteil
Das Splitter-Gefechtsteil wurde durch den halbaktiven funkelektronischen Annäherungszünder 5E50 gesteuert. Er arbeitete passiv, d.h. er nutzte die vom Ziel reflektierten Signale der Aufhellstation. Hierbei gewährleistete der „Sicherungs- und Ausführungsmechanismus" (PIM) ein fünffaches Sicherungssystem für die Schärfung des Gefechtskopfes.
Der Gefechtskopf wog über 200 Kilogramm und enthielt in einer äußeren Hülle 37.000 Stahlkugeln in zwei Größen (16.000 Kugeln zu je 2 Gramm; 21.000 Kugeln zu 3,5 Gramm) sowie 90 Kilogramm Sprengstoff in der inneren Hülle. Der Sprengkopf ermöglichte eine Vernichtung des Zieles im Umkreis von 120 Metern (theoretisch) bzw. von 200 Metern (nach praktischer Erprobung) bei einem Splitterkonus von 120 Grad.